607 v.u.Z oder 587 v.u.Z.? Das Dilemma um die Zerstörung Jerusalems

Das Jahr 607 v.u.Z ist ein bedeutendes Jahr in der biblischen Chronologie, zumindest nach der Auffassung der Zeugen Jehovas. Es markiert den Beginn von den in Daniel erwähnten 7 Zeiten, und mündet somit im Jahr 1914 u.Z. – das Jahr das für Zeugen Jehovas die Inthronisierung Jesu im Himmel markiert, ebenso wie den Anbruch der „letzten Tage“. Mit dem Jahr 607 v.u.Z. widersprechen Zeugen Jehovas jedoch der säkular gängigen Neo-Babylonischen Chronologie.

Wie kommen Zeugen Jehovas auf 607 v.u.Z für die Zerstörung Jerusalems? Das kann man selbst nachlesen im Wachtturm von Oktober 2011 (Teil 1 – S. 26) und November 2011 (Teil 2 – S.22)– entweder über die Watchtower Online Library (http://wol.jw.org) oder indem man sich die Publikation als PDF Datei runterlädt unter www.jw.org.

In aller Kürze: das Jahr 539 u.Z. war das Jahr in dem die medo-persische Streitmacht unter Cyrus (oder Kyrus II) die Stadt Babylon eroberte, und die sich in Babylon im Exil befindlichen Juden befreite. 2 Jahre später (nachdem Kyrus der neue König von Babylon wurde) kehrten viele der Juden aus Babylon zurück nach Juda/Jerusalem und begannen mit dem Wiederaufbau der Stadt. Das Jahr 539 u.Z. für die Eroberung Babylons durch Kyrus II wird von säkularen Historikern zweifelsfrei bestätigt.

Laut der Bibel sollte Jerusalem bzw. Juda 70 Jahre lang brach bzw. verwüstet daliegen, nachdem die Chaldäer unter Nebukadnezar II Jerusalem zerstörten (Jer 25:8-11; 2. Chronika 36:20, 21; Daniel 9:2)

Die Berechnung ist also ganz einfach: Wenn man der biblischen Chronologie vertraut, so muss die Zerstörung Jerusalems siebzig Jahre vor der Rückkehr der Juden aus dem babylonischen Exil und der Wiedereinführung der wahren Anbetung in Jerusalem stattgefunden haben: 537 v.u.Z – 70 Jahre = 607 v.u.Z.

Soweit so gut. Historiker sind sich jedoch weitestgehend einig dass die Zerstörung Jerusalems 20 Jahre später stattfand, als die biblische Chronologie es darstellt, nämlich um 587 v.u.Z.

Auf die gängigen Argumente gehen die obigen Wachtturm Artikel von Oktober/November 2011 ein.

Wie zu erwarten hat Kritikern von Zeugen Jehovas die Erklärung in den beiden Wachtturm-Artikeln gar nicht gepasst – und es wurde fleißig nach Fehlern in der Argumentation gesucht.

Dabei sind folgende „Fehler“ aufgefallen:

  • Die NWÜ würde Jeremia 29:10 falsch übersetzen. Damit einhergehend spricht die Bibel in Wirklichkeit von siebzig Jahren „für“ Babylon und nicht von einen siebzig-jährigem Exil
  • Der Wachtturm behauptet fälschlicherweise VAT 4956 (Astronomische Tafel) würde eher auf 588 v.u.Z. für das 37. Regierungsjahr Nebukadnezars passen (und somit die Sichtweise von 607 v.u.Z. unterstützen) als auf 568 v.u.Z.
  • Die WTG bestätigt unbewusst die Zerstörung Jerusalems 587 v.u.Z. durch die eigene recherchierte Chronologie

Der Vorwurf der arglistigen Manipulation steht also wieder mal im Raum – und JZ-Kritiker bejubeln diese „Fehler“-Funde und fliegen drauf wie Fliegen auf den Kot.

Ich will nur kurz auf die Einwände eingehen.


Jeremia 29:10

Der Vorwurf:

Denn dies ist, was Jehova gesagt hat: „In Übereinstimmung mit der Erfüllung von siebzig Jahren in Babylon werde ich euch meine Aufmerksamkeit zuwenden, und ich will euch gegenüber mein gutes Wort bestätigen, indem ich euch an diesen Ort zurückbringe“.
Jeremia 29,10, (NWÜ)

Die Neue-Welt-Übersetzung sagt „siebzig Jahren in Babylon“. Die Elberfelder Bibel gibt an dieser Stelle „siebzig Jahre für Babel“ (Elberfelder Bibel) wieder.

Jeremia hätte nach dieser Formulierung eine siebzigjährige Herrschaft der Babylonier über Israel vorhergesagt, und nicht etwa wie Zeugen Jehovas es behaupten eine siebzigjährige Gefangenschaft in Babylon.

Demnach würden sich die siebzig Jahre auf Babylon beziehen, und nicht auf Israel.

Die Erklärung:

Den Text kann man Wort für Wort in hebräisch analysieren – zum Beispiel hier.

Das Wort das uns interessiert ist לְבָבֶ֛ל (Transliteriert: lə-ḇā-ḇel)

Ein Kritiker behauptet, die hebräische Präposition ל (le) vor Babylon (לְבָבֶל) würde sich auf „zu“ oder „nach“ beziehen. Für „in“ Babel wie die NWÜ behauptet müsste es demnach eine andere Präposition verwendet worden sein (was aber nicht der Fall ist)

Für Antworten auf die Frage „Wo?“, wird die vorangestellte Präposition ב (be) = „in“ (räumlich) verwendet. (Quelle: Sprachbeschreibung Hebräisch, S. 10- ).

Und so übersetzen die meisten deutschen Bibelübersetzungen mit „für“ Babylon. Dennoch ist die Erklärung dafür sehr fragwürdig. Wenn die Präposition „lə·ḇā·ḇel“ also „nach“ bzw. „zu“ bedeutet, wieso übersetzt man es dann nicht so, sondern sagt „für“?

Jeremia 29:10 könnte dann so lauten:

Denn so spricht der Herr: Wenn siebzig Jahre zu Babel vollendet sind, werde ich dich ernennen, und ich werde auf dich die guten Worte legen, um dich an den Ort zurückzubringen.

Schauen wir uns denselben Ausdruck („lə·ḇā·ḇel“) in der Konkordanz (biblehub.com) an, dann fällt ganz schnell auf worauf ich hinaus möchte. Jeremia 29:10 ist neben Jeremia 51:49 der einzige Text von 8 existierenden mit diesem Wort in dem „für“ (engl. „for“) genutzt wird, statt „zu“ oder „nach“ (engl. „at“/“to“). Die Elberfelder Bibel benutzt in Jeremia 51:49 das Wort „wegen“ Babel.

Es könnte also auch so lauten: „Wenn 70 Jahre wegen Babel vollendet sind“

Die Sprachbeschreibung für hebräisch gibt weiteren Aufschluss:

Dativ

Frage: Wohin? Wo? Wann? Wem?

אנחנו טסים לישראל  (‚anachnu tassim le‚israel) = Wir fliegen nach Israel.

אני הולכת לחבר (‚ani holechet le‚chawer) = Ich gehe zu einem Freund.

אני הולכת למסיבה (‚ani holechet la‚messiba) = Ich gehe zur Party.

למשרד (la‚missrad) = in das Büro

במשרד (be’missrad) = in einem Büro

במשרד (ba’missrAd) = in dem Büro

בבוקר (ba’bOker) = am Morgen

הוא נותן לילד תפוח (hu noten la yeled tapuach) = Er gibt dem Kind einen Apfel.

(Quelle: Sprachbeschreibung Hebräisch, S. 10 – Tabelle 14)

Die Sprachbeschreibung zeigt selbst das „le“ bzw. „la“ auch mit „in“ übersetzt werden kann – so wie die NWÜ es getan hat. Außerdem sagt unser Kritiker nicht dass in der Sprachbeschreibung auch folgendes erwähnt wird:

Für Antworten auf die Frage Wohin? wird die vorangestellte Präposition ל (le) = zu und nach verwendet.

(Quelle: Sprachbeschreibung Hebräisch, S. 10 – Fußnote 8)

Es ging also um die Frage „WOHIN“ die 70 Jahre führen würden, und nicht etwa „WEM“ die 70 Jahre galten.

Zusätzlich lässt sich sagen dass es nur die Präposition „li“ benötigen würde um die Übersetzung mit „für“ zu rechtfertigen… – dahingehen zeigt mir dies mal wieder wie gut und gründlich die NWÜ ist in ihrer Übersetzung.

Unabhängig von der Übersetzung, wurde ebenso der Kontext von Jeremia Kapitel 29 völlig außer Acht gelassen. Es gibt zudem genügend Paralleltexte die belegen was wirklich gemeint ist:  2. Chronika 36:21; Jeremia 27:22; Daniel 9:2; Sacharja 1:12; 7:5

Der Kontext und die Parallel-Texte beweisen dass es definitiv um die 70 Jahre ging, in denen Jerusalem verwüstet blieb und nicht um 70 Jahre babylonische Herrschaft. Es gibt dagegen keinen einzigen Text in der Bibel der darauf hinweist, dass es sich doch um 70 Jahre babylonische Herrschaft handeln könnte. Das würde auch kein Sinn ergeben – die 70 Jahre sollten dann vorbei sein, wenn Jerusalem wieder bewohnt werden würde – dies geschah aber erst 2 Jahre nach der Eroberung Babylons, was uns auf 72 Jahre und nicht auf 70 Jahre bringen würde.

Wir können dieses eher lächerliche Argument also getrost abhaken – in Wirklichkeit ist es nämlich gar keins.


VAT 4956

Kommen wir zum Schriftstück VAT 4956. Eine ungefähr 300 Jahre nach dem scheinbaren Original-Datum gefertigte Kopie (das Original wurde nie gefunden) einer Tafel mit astrologischen Beobachtungen die man anscheinend (zumindest sagen das Astronomen) auf das Jahr 568 v.u.Z. datieren kann.

Das Dumme für die biblische Chronologie: die kopierte Tafel enthält den Vermerk dass es sich um astrologische Daten aus dem 37. Jahr der Königreichsherrschaft Nebukadnezar’s handeln würde. Dies würde bedeuten dass das 18. Jahr Nebukadnezar’s an dem er Jerusalem zerstörte, 19 Jahre vorher war, also um 587 v.u.Z.

Im Wachtturm vom November 2011 behaupten Zeugen Jehovas jedoch, dass die Mondstellungen die in VAT 4956 beschrieben würden eher auf das Jahr 588 v.u.Z. passen würden, was wiederum ein Argument für das Jahr 607 v.u.Z für die Zerstörung Jerusalems darstellen würde.

Kritiker jedoch behaupten dass Zeugen Jehovas sich entweder verrechnet haben, oder lügen würden.

Eines muss ich zugeben – die Erklärung wie genau die Autoren des Wachtturmartikels zur Schlussfolgerung kommen, dass die Angaben von VAT 4956 eher auf 588 v.u.Z. als auf 568 v.u.Z. passen würden, entbehrt schon einiger Details.

Der Artikel sagt das „Forscher [sich] eingehend mit den 13 Mondpositionen auf VAT 4956 befasst“ hätten und zu dem Schluss gekommen seien, dass „während sich für das Jahr 568/567 v.u.Z. nicht alle Mondpositionen nachweisen ließen, alle 13 Positionen auf das Jahr 588/587 v.u.Z. passen würden — also 20 Jahre früher.“

Welche Forscher? Das sagt der Wachtturm-Artikel nicht. Der einzige mir bekannte Forscher der zu diesem Schluss kam ist Rolf Furuli, ehemaliger Dozent der Univerität Oslo, und Experte für semitische Sprachen, sowie babylonische und hebräische Chronologie. Rolf Furuli ist scheinbar ebenso Zeuge Jehovas (ich kenne ihn weder persönlich, noch ZJ die ihn kennen).

Im Internet fand ich von einem Kritiker der Zeugen Jehovas eine Liste die besagt, dass Rolf Furuli in seinen Büchern „Assyrian, Babylonian, Egyptian, and Persian Chronology Compared with the Chronology of the Bible, Volume 1 & 2“ (zweite Edition herausgegeben im Jahr 2012 – also nachdem der Wachtturm-Artikel von 2011 erschien) behaupte, dass alle 13 Mondpositionen auf VAT 4956 sehr gut auf das Jahr 588/587 v.u.Z. passen würden, was allerdings nicht der Fall für 568/567 v.u.Z. wäre. Der JZ-Kritiker präsentiert dann seine eigene astronomische Analyse, und behauptet Furuli hätte sich verrechnet, bzw. absichtlich verfälschte Analysen veröffentlicht.

Was soll man also von all dem halten?

Ich bin weder Astronom, noch kenne ich mich annähernd gut genug aus um diesbezüglich persönliche Untersuchungen anzustellen. Ich habe die Analyse Furulis nie gesehen. Für mich steht hier ein Wort eines intelligenten Mannes gegen das eines anderen in einem Fachbereich von dem ich keine Ahnung habe.

Haben Zeugen Jehovas in ihrem Artikel gelogen, oder ihre Leser arglistig getäuscht? Da ich großes Vertrauen in die Redaktion der Zeugen Jehovas habe, glaube ich ihrer Aussage, wenngleich ich zugeben muss dass ich die Gründe für die Aussage ungenügend belegt finde – das hätte man sicherlich besser machen können. Es ist aber nicht ungewöhnlich, dass Forscher nicht namentlich erwähnt werden möchten und die Forschungsdetails nicht publik gemacht werden, bevor die Forschungsergebnisse noch nicht von ihnen selbst veröffentlicht wurden und/oder einer Peer-Review unterzogen wurden. Das mag der Grund dafür sein dass man generell von „Forschern“ sprach, ohne sie namentlich zu erwähnen.

Welche Software für die Analyse genutzt wurde, sagt der Wachtturm-Artikel jedoch: „Für die Analyse wurde die Astrosoftware TheSky6™ verwendet sowie das Freeware-Programm Cartes du Ciel/Sky Charts (CDC) und ein Datumskonverter des U.S. Naval Observatory.“

Für die beiden kritischen Gegenanalysen zu Furuli’s Feststellungen wurden aber andere Programme genutzt: ein Kritiker benutzte „Chris Marriott’s SkyMap Pro 11.04“ (ich hab erst später herausgefunden dass es ein ehemaliger Zeuge Jehovas ist), und ein anderer nutzte „SkyViewCafé“ (wie sich herausstellen sollte, handelt es sich dabei ebenso um eine ehemalige Zeugin Jehovas). Dass ein neutraler Wissenschaftler Furuli zu diesem Thema wiederlegen suchte ist mir nicht bekannt (zumindest konnte ich darüber nichts finden).

Welches Program Furuli nutzte konnte ich nicht herausfinden, aber sollte der zum Forscherteam gehört haben von dem im Wachtturm die Rede ist, war es das oben erwähnte „TheSky 6™“. Keine Ahnung ob die Benutzung unterschiedlicher Software einen derartigen Unterschied im Ergebnis macht, aber ich fand es dennoch interessant!

Eine positive Review und einige Details über Furili’s Funde konnte ich hier finden: http://aboutfuruli2.weebly.com/ – allerdings ist dies wohl nur eine Zusammenfassung aus seinen Büchern, und ist somit nicht vollständig:

Das bringt mich zu folgenden Schlussfolgerungen: Die Kritiken kommen von Leuten die eine Agenda haben – man muss die Zeugen Jehovas als Lügner/Betrüger darstellen. Alleine das lässt mich ihre Recherchen als zweifelhaft beurteilen, da von solchen Leuten keine neutrale Analyse zu erwarten ist.

Sollte Furuli ein getaufter und aktiver Zeuge Jehovas sein wird er kaum eine Gegen-Darstellung veröffentlichen, es sei denn es wäre eine Kritik von einem Forscher-Kollegen der kein ehemaliger Zeuge Jehovas ist. Soweit ich herausfinden konnte, sind beide Kritiker die ihre gegnerische Darstellung veröffentlichten, weder Akademiker noch ausgebildete Historiker, sondern lediglich engagierte Laien die gekonnt mit Funden um sich schmeißen, im Wissen dass das alles schwer überprüfbar ist was sie da von sich geben.

Somit werden die Kritiker der Zeugen Jehovas ihrer eigenen Meinung nach recht behalten, da ja kein aufrichtiger Zeuge Jehovas sich mit diesen Kritiken befassen wird, solange sie nicht von Quellen stammen die keine Agenda gegen Zeugen Jehovas verfolgen.

Schon 1972 veröffentlichten die Zeugen Jehovas im Erwachet vom 8. August einen Artikel der auf VAT 4956 einging. Damals hatten sie keine Forschungsergebnisse zur Verfügung die darauf hindeuten könnten das 588/587 v.u.Z. gar besser passen könnte als 568/567 v.u.Z.

Man negierte auch damals nicht dass die Daten auf 568/567 v.u.Z. passen könnten, aber man stellte ebenso auch fest dass Claudius Ptolemäus (griechischer Astronom, der im 2. Jahrhundert u. Z. lebte, und eine Königsliste erstellte die nach Babylon zurückreichte – auch seine Angaben unterstützten 587 v.u.Z. für die Zerstörung Jerusalems) sich bei seinen geschichtlichen Angaben auf Quellen stützte, die auf die Seleukidenzeit zurückgingen, die über 250 Jahre nach der Eroberung Babylons durch Cyrus begann. Wenn dem so ist, dann übernahm er wahrscheinlich die Angaben des Babylonischen Priesters Berossus, der in dieser Seleukidenzeit lebte. VAT 4956 stammt ebenso aus der Seleukidenzeit. Da es sich um eine Kopie handelt, und man auch bereits beweisen konnte das Berossus und Ptolemäus Angaben große Lücken enthalten, wäre es nicht verwunderlich wenn VAT 4956, besonders mit ihrer Anmerkung zum 37. Jahr Nebukadnezar’s, lediglich die Ansichten wiedergab die man in der Seleukidenzeit vertrat.

Nun ist es aber so, dass „Forscher“ herausfanden dass man die Mondpositionen die im VAT 4956 beschrieben wurden auch auf 588/587 v.u.Z. passen würden. Macht das VAT 4956 zu dem archäologischen Fund auf das Zeugen Jehovas sich stürzen um die Zerstörung Jerusalems auf 607 v.u.Z. beweisen zu können?

Das tut weder der Wachtturm-Artikel aus November 2011 noch wurde seitdem diese Tafel als Beweis dazu erneut in der ZJ Literatur genutzt. Die Angaben die der Wachtturm dazu macht, betrachte ich als interessante Deutungsmöglichkeit und nichts weiter.

Weitaus wichtiger als irgendein archäologischer Fund (dessen Bedeutung immer auch von der Deutung von unvollkommenen Historikern abhängt) ist für mich das inspirierte Wort Gottes, und die darin enthaltenen Angaben zur Chronologie.

Ich hake deswegen das Kapitel VAT 4956 für mich ab!


Unterstützt der Wachturm unwissentlich 587 v. Chr. zur Zerstörung Jerusalems?

Ein weiteres Argument das gerne angewandt wird, ist dass die neubabylonische Chronologie welche man in Wachtturm-Publikationen sehen kann, unwissentlich oder versehentlich 587 v.u.Z für die Zerstörung Jerusalems unterstützt. Die Linie der Argumentation kann man in folgenden vier Schritten zusammenfassen:

Schritt 1:

Man nehme ein Zitat des Wachturms mit Verweis auf die neubabylonische Chronologie der Könige. Im Wachtturm vom 1. März 1965 S.156-158 hatte zum Beispiel ein Artikel mit dem Titel „Das Frohlocken des Bösen währt nicht lange“ erklärt:

Ewil-Merodak wurde nach einer zweijährigen Regierungszeit von seinem Schwager Neriglissar ermordet. Neriglissar regierte vier Jahre und war während dieser Zeit hauptsächlich mit Bauunternehmen beschäftigt. Sein noch minderjähriger Sohn, Labaschi-Marduk, ein bösartiger Jüngling, folgte ihm auf den Thron, wurde jedoch schon nach neun Monaten meuchlings ermordet. Nabonid, der Lieblingsschwiegersohn Nebukadnezars, der als Statthalter in der Stadt Babylon eingesetzt worden war, übernahm nun den Thron. Bis zum Sturz Babylons im Jahre 539 v. Chr. hatte er eine verhältnismäßig glorreiche Herrschaft geführt. “ Unterstriche von mir hinzugefügt (Dies wurde auch in der 1963 Wachturm-Publikation „Babylon die Große ist gefallen – Gottes Königreich regiert!“ angegeben auf Seite 184.)

Bezüglich der Länge der Nabonidischen Herrschaft, hatte man im Wachtturm vom 15. November 1968 unter dem Thema „Das Buch mit den genauen geschichtlichen Zeitangaben“ lesen können: „Im 17. Jahr des Königs Nabunaid fiel Babylon Kores, dem Perser, in die Hände “ Unterstrich (hinzugefügt) Zu guter Letzt erhält Nebukadnezar „43 Jahre“ gemäß der 1. Mai 1969-Ausgabe des Wachtturms im Artikel „Ist die babylonische Chronologie zuverlässig?“ auf Seite 281-284.

Schritt 2:

Mit den obigen Informationen erstelle man eine Liste und Tabelle die wie folgt aussieht:

  • Nabonid – 17 Jahre
  • Labaschi-Marduk – 1 Jahr (9 Monate eigentlich)
  • Neriglissar – 4 Jahre
  • Ewil-Merodach – 2 Jahre
  • Nebukadnezar – 43 Jahre, aber wir zählen nur ab dem 19. Jahr (als er Jerusalem zerstörte) nach 2 Könige 25,8 und Jeremiah 52:12, also 24.
König Herrschaft
Nabonid 17 Jahre
Labaschi-Marduk 1 Jahr (9 Monate eigentlich)
Neriglissar 4 Jahre
Ewil-Merodach 2 Jahre
Nebukadnezar 24 Jahre

Schritt 3:

Rechnen: die Längen der Herrschaft insgesamt 24 + 2 + 4 + 1 + 17 = 48 Jahre

Die Zerstörung Jerusalems sollte also 48 Jahre vor der Eroberung Babylons 539 v.u.Z. stattgefunden haben

Zu guter Letzt:  539-48 = 587. (48 Jahre vor 539 v.u.Z. führt uns auf 587 v.u.Z)

Schritt 4:

Erklären, dass die Wachtturm-Publikationen unwissentlich 587 v.u.Z. unterstützen.

 

Probleme mit dem Argument

Problem 1:

Wenn der oben genannte Wachtturm-Artikel vom 15. November 1968 erklärt, dass Nabonid‘s Herrschaft siebzehn Jahre lang andauerte, war es unter der Prämisse, dass die Nabonid-Chronik genau das behauptet. Jedoch bestätigt die 15. August 1971-Ausgabe vom Wachtturm in seinem Artikel „Das Zeugnis der Chronik des Nabonid“ auf Seite 507-509, dass dies tatsächlich nicht der Fall ist, denn es gibt eine Lücke wo das Jahr offenbar ursprünglich stand, und das „siebzehnte Jahr“ für Nabonid wurde von „Übersetzern eingefügt“.

Problem 2:

Laut aktuelleren Wachtturm-Veröffentlichungen sieht es so aus, wie man es in den „Einsichten in die heiligen Schriften“, über die neubabylonischen Chronologie nachlesen kann:

Nabonid: „Selbst wenn die Herrschaft Nabonids länger gedauert hätte, als allgemein angenommen wird, würde sich dadurch nicht das für den Sturz Babylons anerkannte Jahr 539 v. u. Z. ändern, denn es gibt andere Quellen, die auf dieses Jahr hinweisen. “ (Band 2, Seite 409)

Labaschi-Marduk: unter „Nabonid“ heißt es: „Als Labaschi-Marduk ermordet wurde, bestieg Nabonid den Thron “ (Band 2, Seite 407). Eine Länge der Herrschaft wird nicht angegeben.

Neriglissar: unter „Babylon“ heißt es: „Über die Regierung Neriglissars, offensichtlich der Nachfolger Ewil-Merodachs, und die Herrschaft Labaschi-Marduks ist wenig bekannt.“ (Band 1, Seite 284) Darüber hinaus heißt es unter „Chronologie“: „es sind Vertragstafeln bekannt, die aus dem vierten Jahr Neriglissars stammen, der als der Nachfolger Ewil-Merodachs betrachtet wird “ (Band 1, Seite 490)

Ewil-Merodach: “ Nach einer von Josephus erwähnten Angabe des Berossos regierte Ewil-Merodach zwei Jahre. Josephus selbst schreibt ihm 18 Jahre zu. Ewil-Merodach wurde angeblich im Zuge einer Verschwörung ermordet und von Neriglissar (Nergal-Sarezer) abgelöst. Eine zuverlässige Bestätigung dieser Einzelheiten fehlt jedoch.“ (Band 1, Seite 701-702) Darüber hinaus heißt es unter „Chronologie“: “ Man hat Tafeln gefunden, die aus dem zweiten Regierungsjahr Ewil-Merodachs datieren“ (Band 1, Seite 490)

Nebukadnezar: „43 Jahre als König regiert“. (Band 2, Seite 441)

Interessant ist auch der Wachtturm-Artikel vom 1. Mai 1969 unter dem Thema „Ist die babylonische Chronologie zuverlässig?“ unter „ZUVERLÄSSIGE GESCHICHTE ODER FRAGWÜRDIGE SYNTHESE?“. Der gleiche Artikel schließt mit folgenden Worten ab: „Der Leser kann nun selbst beurteilen, ob durch die Berechnungen und Mutmaßungen neuzeitlicher Geschichtsschreiber eine zuverlässige babylonische Chronologie zustande gekommen ist oder nicht. Man könnte vielleicht sagen, daß sie dadurch einigermaßen Ordnung in das Chaos der alten weltlichen Urkunden gebracht haben.“

Man sieht also, dass ab 1969 den recherchierenden Mitarbeitern des Wachturms klar wurde dass die babylonische Chronologie nicht so klar und einfach zu verstehen ist wie wir es gerne möchten. Darüber hinaus war seit 1971 klar, dass die Nabonid-Chronik auch nicht so klar ist wie wir es gerne hätten, und erhebliche Lücken an wichtigen Orten enthält.

Somit würde eine genauere, aktualisierte Liste und Tabelle wie folgt aussehen:

  • Nabonid – 17 Jahre oder mehr
  • Labaschi-Marduk – ?
  • Neriglissar – 4 oder mehr Jahre
  • Ewil-Merodach – 2 Jahre oder mehr
  • Nebukadnezar – 43 Jahre, aber wir zählen nur ab dem 19. Jahr (als er Jerusalem zerstörte) nach 2 Könige 25,8 und Jeremiah 52:12, also 24.
König Herrschaft
Nabonid 17 Jahre oder mehr
Labaschi-Marduk ?
Neriglissar 4 Jahre oder mehr
Ewil-Merodach 2 Jahre oder mehr
Nebukadnezar 24 Jahre

Damit ist das Argument, Zeugen Jehovas würden mit ihrer eigenen Chronologie unbewusst 587 v.u.Z. für die Zerstörung Jerusalems bestätigen widerlegt.

Wem das nicht reicht kann sich noch einmal die Tabelle im Wachtturm vom Oktober 2011 anschauen auf Seite 29 und sich selbst ein Bild machen.

Es gibt noch viel mehr was man über dieses Thema sagen könnte. Diejenigen die durch die Aussagen von Kritikern dabei sind den Glauben an die Bibel zu verlieren, sollten sich die Worte vom Wachtturm vom 1. Juni 1975 (S. 340) zu Herzen nehmen:

Die Bibel ist so geschrieben, daß offenbar wird, was im Herzen der Menschen ist (Hebr. 4:12). Wer in der Bibel anscheinende Makel und Widersprüche finden will, kann sie finden. Ein Grund dafür ist, daß die Bibel nicht alle Einzelheiten über eine Sache berichtet. Oft berichtet sie über die Einstellung, die Worte und Taten einer Person, ohne sie direkt zu billigen oder zu mißbilligen. Daher kommen einigen beim Lesen bestimmter Berichte Zweifel, ob Gott wirklich gerecht und fair war in dem, was er tat. Dann benutzen sie dies als Entschuldigung dafür, daß sie nicht die Änderungen in ihrem Leben vornehmen, die die Bibel empfiehlt. Das ist in Übereinstimmung mit der Absicht Gottes, nur solche als seine Diener anzuerkennen, die ihn wirklich lieben und die ihn wegen seiner Eigenschaften schätzen (5. Mose 30:11-20; 1. Joh. 4:8-10; 5:2, 3).

Eine detailliertere Auseinandersetzung zum Thema 607 v.u.Z. kann man HIER lesen: mit Google Translate kann man es auch in Deutsch übersetzen.

4 Gedanken zu “607 v.u.Z oder 587 v.u.Z.? Das Dilemma um die Zerstörung Jerusalems

  1. Hallo fossilisus,

    Ich möchte was zu Jeremia 29,10 sagen: ich habe ein hebräisches Wörterbuch mit Regeln der hebräischen Grammatik von Wilhelm Gesenius. Auf einer Seite seines Buches unter „Präpositionen,, sehe ich leider nicht, dass die „le“ präposition mit „in,, übersetzt werden kann. Aber dafür mit“ zu,, oder „nach“

    Darunter wird auch die „be,, Präposition erwähnt und hier nennt sie als Übersetzungsmöglichkeit die Präposition „in,,

    Was aber den Übersetzungen angeht, so kenne ich aus dem englischen die so wie die NWÜ übersetzen, entweder „at Babylon,, oder“ in Babylon,,:

    New living translation :“This is what the Lord says: “You will be *in Babylon* for seventy years. But then I will come and do for you all the good things I have promised, and I will bring you home again.

    Jubilee Bible:“  For thus hath the LORD said, That after seventy years are accomplished *at Babylon* I will visit you, and quicken my good word upon you to cause you to return to this place

    Wycliffe:“ For the Lord saith these things, When seventy years begin to be [ful]filled *in Babylon* , I shall visit you, and I shall raise on you my good word, and I shall bring you again to this place.

    Douay Rheims:“
    For thus saith the Lord: When the seventy years shall begin to be accomplished *in Babylon* , I will visit you: and I will perform my good word in your favour, to bring you again to this place

    Luther 1545 und 1912 schreiben „zu Babel“.

    Gruß
    Niemand

  2. Hallo, ich wollte nur darauf hinweisen das die Tafel VAT4956 außer Mondpositionen, mehrere Planetenpositionen beinhaltet, und die treffen ohne Ausnahme nur auf das Jahr 565 v.u.Z. zu.
    Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit das Jahr der Zerstörung Jerusalems herauszufinden. Necho der II.
    besiegte König Josia im Jahre 609 v.u.Z. Das Buch Könige gibt uns genaue Zeitangaben der Regierungen bis zur Zerstörung Jerusalems, es sind genau 22,5 Jahre, Damit sind wir wieder bei 587 v. u. Z.
    Der Regierungsantritt von Necho dem II. im Jahre 610 v,u,Z.gilt als eines der gesichertsten Daten. Es gab sogar eine Sonnenfinsternis mit einem einmaligen Ereignis in der Ägyptischen Geschichte.

    • Hallo Alfred, Danke für deinen Kommentar.
      Leider ist dies keine zusätzliche Hilfe. Sämtliche säkular angewandte Chronologie der Zeit der 26. Dynastie Ägyptens, sowie die Assyriens der gleichen Zeit sowie der Neo-Babylonischen Zeit basiert auf VAT4956, sowie auf die Auflistung des babylonisch-griechischen Historikers Berossos aufgrund von Synchronismen.
      Es bestehen also zwei Möglichkeiten:
      Erstens: Entweder VAT4956 wird von sekularen Historikern richtig interpretiert, wobei man annehmen muss dass es mindestens einen Fehler in der Tafel gibt den man ignorieren oder entschuldigen muss – dabei handelt es sich um den Tag der in Koine-Form auf der Tafel angegeben wurde für die angegebene Mondposition. Die Tafel besagt dass es sich um Mondpositionen der Nacht des 9. Nisan handele. Archeologen geben sich damit zufrieden dass es sich dabei um einen Schreibfehler handeln muss, und glauben dass in Wirklichkeit der 8. Nisan gemeint wäre. So würde das Jahr 568 v.u.Z. für das 37. Regierungsjahr welches auf der Tafel angegeben wird passen, da die Mondpositionen im Großteil der Fälle auf den 8. Nisan des Jahres 568 v.u.Z. zutreffen.
      Die zweite Möglichkeit ist die, die der Wachtturm und Furuli präsentiert. Wenn die Mondpositionen auf VAT4956 auf den auf der Tafel selbst angegebenen 9. Nisan waren, so passen alle 13 Mondposition nicht mehr auf 568 v.u.Z. sondern auf den 9. Nisan 588 v.u.Z. Wenn VAT 4956 völlig legitim ist, und das so stimmt, müsste fast sämtliche Annahmen zur Chronologie dieser Zeit neu bewertet werden.
      Stellen Sie sich vor welche Blamage das wäre für säkulare Historiker. Die „ungebildeten“ Zeugen Jehovas können doch nicht etwa recht haben – sie müssen sich irren!
      Es sei hinzuzufügen dass VAT 4956 nur ein einziges Mal untersucht wurde, nämlich von 2 deutschen Gelehrten im Jahr 1915 (Neugebauer/Weidner). Kein anderer Historiker ging VAT 4956 näher nach, sondern übernahm blind die Ergebnisse der Untersuchung dieser beiden Gelehrten. Bis Furuli kam, und sich die Sache erneut anschaute.
      Die Frage stellt sich also definitiv für Christen: glaube ich der biblischen Chronologie, oder bevorzuge ich die Chronologie von unvollkommenen Historikern.

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