Ich hatte vor kurzem einen Blogartikel von Tom Harley frei übersetzt und aufgrund der darauf folgenden Kommentare, mich dazu entschlossen den Beitrag wieder zu entfernen.
Nicht dass ich dem Beitrag grundsätzlich nicht zugestimmt hätte, nur war er mir im Endeffekt zu generell gehalten, und es fehlte ihm die Tiefe, wie die Kommentare es mir zeigten.
Und es kamen einige Kommentare! Die allermeisten habe ich nicht freigeschaltet. Wenn ich jedem bellenden Hund auf meinem Weg einen Fußtritt verpassen müsste, käme ich nicht weit.
Einen validen Kritikpunkt fand ich in Paulus, und seinen Zusammenhang mit der von mir verteidigten Sichtweise dass es eine Leitende Körperschaft der Christenversammlung im ersten Jahrhundert gab.
So valide, dass ich ihm einen Blogbeitrag widmen möchte. Das Argument: Paulus brauchte keine Leitende Körperschaft – er handelte unabhängig von der Versammlung in Jerusalem. Grundsätzlich ist das richtig. In welcher Beziehung stand er allerdings zu dieser Versammlung? – Es sollte in diesem Blogbeitrag darum gehen.
Hilfreich dabei sei mal zu schauen was unter dem Begriff Apostel zu verstehen ist:
In Johannes 13:16 sagt Jesus: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ein Sklave ist nicht größer als sein Herr, auch ein Gesandter (gr.: apostolos) nicht größer als der, der ihn gesandt hat.
Apostel Jesu waren also im biblisch christlichen Kontext Personen, die direkt von Jesus Gesandte waren (also in seinem direkten Auftrag handelten). Wer gehörte offensichtlich zu diesen Aposteln? Zuerst mal die 12 Apostel die Jesus höchstpersönlich auserwählt hatte, wovon bekannter weise Judas Iskariot kurz vor Jesu Tod wegfiel (Matthäus 10:2-4).
Als Ersatz für Judas Iskariot bekam Matthias durch den heiligen Geist das Apostelamt (Apg 1:23-26). Er muss bereits während Jesu irdischem Dienst ein eifriger Jünger Jesu gewesen sein. All diese gehörten zu den Aposteln der Versammlung in Jerusalem. Traten die Apostel immer gemeinsam auf und sprachen gemeinsam? Nein. Zu Pfingsten 33 u.Z. war Petrus der Wortführer (Apg 2:14). In Apostelgeschichte Kapitel 15 wo es um die Beschneidung ging, war es Petrus und Jakobus die angeführt wurden wichtige Punkte in dieser Streitfrage mit beizutragen. Der Entschluss wurde aber von den Aposteln gemeinsam mit den älteren Männern der Versammlung in Jerusalem gefasst.
Die Versammlung in Jerusalem spielte eine wichtige Rolle in der Christenversammlung:
- Erstens: Die Christenversammlung nahm dort ihren Anfang – und die Apostel würden die Grundlage für diese Versammlung bilden (Epheser 2:20-22; Jes 28:16)
- Zweitens: Anfangs bestand die Christenversammlung fast ausschließlich aus Judenchristen – und Jerusalem war von jeher für Juden das Zentrum der wahren Anbetung
- Drittens: Die 12 Apostel gehörten zur Versammlung in Jerusalem, und die Christen widmeten sich (oder verharrten) in der Lehre dieser Apostel (Apg 2:42)
Auch Paulus wurde ein Apostel Jesu, da Jesus sich ihm höchstpersönlich offenbarte, und so als Gesandter für Jesus von Gott berufen wurde (Galater 1:1, 15,16)
Die Bibel spricht noch von anderen Aposteln – jedoch nicht im Zusammenhang als direkte Gesandte Jesu, sondern als Boten, oder Gesandte für ihre jeweiligen Versammlungen. So war Barnabas ein Apostel für die Versammlung in Antiochia (Apg 11:22-24, 27-30; 12:25). Paulus wird hier ebenfalls erwähnt, da er mit Barnabas von den Brüdern in Antiochia gesandt wurde, und konnte somit ebenfalls als Apostel Antiochias genannt werden – dieses Apostelamt ist aber nicht seinem Apostelamt Jesu für die Nationen gleichzustellen (Galater 1:1).
PAULUS:
Erste einmal eine grobe Zusammenfassung vom in der Bibel beschriebenen Werdegang des Paulus:
Paulus war ein Israelit aus dem Stamm Benjamin und wurde in Tarsus in Zilizien geboren, und wuchs in der Obhut eines gewissen Gamaliels auf – seine Eltern waren Pharisäer (man könnte auch sagen jüdischer Theologen), er selbst zählte sich auch zu ihnen (Philipper 3:5; Apg 21:39; 22:3). Sein hebräischer Name war Saulus, aber er hatte ebenso die römische Staatsbürgerschaft und war somit ebenso unter dem römischen Namen Paulus bekannt.
Er war ein intelligenter Mann und anfangs eifriger Verfechter des jüdischen Glaubens und starker Verfolger der ersten Christen und war sogar für den Tod von mindestens einem Christen (Stephanus) mitverantwortlich (Apg 6:13; 7:58; 8:1, 3; 9:1, 2; 26:10, 11; Gal 1:13, 14).
Apostelgeschichte Kapitel 9 beschreibt die Bekehrung Pauli durch Jesus Christus höchstpersönlich der sich ihm offenbarte. Als Beweis blendete er Paulus so dass dieser 3 Tage lang nichts sehen konnte und fastete und betete während er sich in Damaskus im Haus Judas aufhielt. In einer Vision sah Paulus dass ein gewisser Ananias zu ihm kommen würde und ihm das Augenlicht wiedergeben würde, was dann auch geschah. Daraufhin ließ er sich taufen (Apg 9:9-19).
In Galater 1:15-17 beschreibt Paulus dass er nicht nach seiner Berufung durch Christus „sogleich … durch Fleisch und Blut zu Rate“ ging – er blieb kurz in Damaskus und fing an zu predigen – ging zwischendurch weg nach Arabien (wieso genau wird nicht erklärt), kam aber nach Damaskus zurück. Er musste aber schlussendlich von dort fliehen da man ihn umbringen wollte.
Drei Jahre nach Pauli Bekehrung (Galater 1:18) ging er nach Jerusalem hinauf um Simon Petrus zu besuchen (ca 35 oder 36 u.Z.). Wieso? Wie das griechische Wort für „besuchen“ (gr. historeó) beschreibt, war es nicht um einfach mal Hallo zu sagen. Strong’s Dictionary beschreibt es wie folgt:
historéō(from histōr) – properly, learn by inquiring (doing a personal examination); to gain knowledge by „visiting“ which conducts „a full interview.“
(lernen durch Nachfrage (eine persönliche Überprüfung machend); erkennen durch „besuchen“ und durchführen einer „vollständigen Befragung“)
Er machte also eine persönliche Überprüfung und machte eine vollständige Befragung von Petrus um ihn besser kennenzulernen.
Waren andere Apostel dabei? Von den Zwölfen traf Paulus offenbar nur Petrus. Im Parallelbericht in Apostelgeschichte 9:27 wird jedoch berichtet dass Barnabas Paulus zu den Aposteln (Mehrzahl) führte – dabei kann es sich jedoch nicht um Apostel im Sinne von direkt von Jesus Ausgesandten gehandelt haben, sondern offenbar um die Apostel (Gesandte) der Versammlung in Jerusalem. Das bestätigt Paulus in Galater 1:19 – er sah Jakobus, den Halbbruder Jesu. Dieser gehört aber nicht zu den Zwölfen, war aber mittlerweile mit einem Apostelamt für die Versammlung in Jerusalem betraut.
Was hatte dieser Besuch zu bedeuten? Die Bibel geht nicht näher darauf ein, aber es führte Paulus einige Male nach Jerusalem – dieses Mal um mit den dortigen Brüdern zusammenzuarbeiten und auch belehrt zu werden oder Anweisungen zu erhalten. Wie sonst ist es in diesem Fall zu verstehen dass Paulus Petrus befragte, wenn nicht darum ein besseres Verständnis der Dinge zu erlangen für die er von Jesus berufen wurde.
Paulus ging nach diesem ersten Besuch in Jerusalem nach Tarsus (seiner Heimatstadt) zurück.
Dort fand ihn Barnabas (welcher von der Jerusalemer Versammlung ausgesandt worden war) und nahm ihn mit nach Antiochia, welches seine neue Heimatversammlung werden sollte. Der nächste Besuch in Jerusalem für Paulus war zum „Dienst der Unterstützung“ (Apg 12:25). Während diesem Dienst waren Barnabas und Paulus sicherlich in Kontakt mit den Aposteln und älteren Männern in Jerusalem – die gerade eine schwere Zeit durchmachen mussten. Ein Apostel Jesu (Jakobus) wurde während ihres Aufenthalts von Herodes getötet und Petrus wurde ins Gefängnis geworfen (Apg 12:1-3), kam aber kurz darauf durch einen Engel wieder frei.
Unter anderem mit Hilfe der Unterstützung durch Barnabas und Paulus, wuchs „das Wort Gottes aber… weiterhin und breitete sich aus“ (Apg 12:24, 25) – Interessant ist dass sie nun bereits Johannes Markus mitnahmen. Wozu?
Nach der Rückkehr von Jerusalem nach Antiochia, wurden Paulus und Barnabas durch heiligen Geist abgesondert und begingen ihre erste Missionsreise zu der sie, so sagt der Text, der Heilige Geist berufen hatte. Johannes Markus begleitete Sie (Apg 13:5). Scheinbar planten Barnabas und Paulus die Missionsreise im voraus und nahmen sich als Unterstützung Johannes Markus aus Jerusalem mit.
Die erste Missionsreise wird in Apg 13:51 bis 14:28 beschrieben (ca 47-48 u.Z.)
War dazu die Bestätigung von Jerusalem von Nöten? Paulus als Apostel Jesu konnte dies selbstständig angehen, schließlich hatten er, Barnabas und die Älteren Männer in Antiochia die Bestätigung des Heiligen Geistes. Dennoch interessant dass die Brüder in Jerusalem scheinbar von dieser geplanten Missionsreise wussten, sonst hätten sie wohl kaum in ihrer schwierigen Zeit einen eifrigen hilfreichen Bruder entbehren wollen. Die Bibel sagt nichts Konkretes dazu, aber ich denke die in der Bibel beschriebenen Umstände deuten darauf hin, dass es für die erste Missionsreise zumindest wegen Johannes Markus eine Absprache mit der Versammlung in Jerusalem gegeben hat.
Nach der ersten Missionsreise befanden sich Barnabas und Paulus wieder in Antiochia, als Brüder aus Judäa kamen und die Streitfrage der Beschneidung aufwarfen (Apg 15:1) – die Brüder in Antiochia „ordneten an“ dass die Sache in Jerusalem besprochen werden sollte (Apg 15:2). Dies war um 49 u.Z. (vierzehn Jahre nachdem Paulus Petrus in Jerusalem befragte).
Den Parallelbericht findet man in Galater 2:1-10. Dort nennt Paulus die „Apostel und älteren Männer“ (Apg 15:6), „die …, die etwas zu sein schienen“, „jene hervorragenden Männer“ (Gal 2:6).
Er schreibt von „falschen Brüdern die unauffällig hereingebracht wurden“ (Gal 2:4) die darauf bestanden man müsse beschnitten werden – es handelte sich dabei offensichtlich um die Pharisäer die an Christus glaubten (Apg 15:5). Daraufhin versammelten sich die Apostel und älteren Männer unter sich, um die Sache zu besprechen und zu einer Bestimmung zu kommen (Apg 15:6).
Dabei waren Paulus und Barnabas (Apg 15:12; Galater 2:7-9), welche in die Bestimmung mit eingebunden wurden. Mit welchem Resultat?
Paulus und Barnabas erhielten stellvertretend für die Apostel und älteren Männer in Jerusalem, von Petrus, Jakobus (Jesu Bruder), und Johannes, „die rechte Hand der Mitteilhaberschaft“ (Gal 2:9)
Cambridge Bible for Schools and collages sagt in einem Kommentar dazu:
the right hands of fellowship] as a pledge of fidelity to the same truth, with a view to the adoption of distinct spheres of missionary labour.
(ein Schwur der Treue zu derselben Wahrheit, im Hinblick auf die Aufnahme der verschiedenen Bereiche des Missionardienstes).
Dies machte Paulus und Barnabas zu Apostel Jerusalems, mit den entsprechenden Autoritativen Befugnissen.
Nach der Bestimmung durch die Ältesten und Apostel wurde sie der ganzen Versammlung in Jerusalem mitgeteilt. Die Versammlung beauftragte Paulus und Barnabas zusammen mit „führenden Männern unter den Brüdern“, „durch ihre Hand“ einen Brief im Namen der Versammlung Jerusalems aufzustellen welcher die Bestimmung beinhaltete. Dieselben Brüder sollten den Brief nach Antiochia bringen um den Brüdern dort den Beschluss zu übermitteln.
Mit diesen „Verordnungen“ in der Tasche fing Pauli zweite Missionsreise an – diesmal ohne Barnabas, aber mit Silas und kurze Zeit später mit Timotheus. Die Reise wird in Apg 15:36-18:22 beschrieben. (ca 49-52 u.Z.)
Apostelgeschichte 18:22 sagt, dass Paulus von Cäsarea „hinauf [ging] und die Versammlung begrüßte“, womit die Versammlung in Jerusalem gemeint ist. Wieder bemerkenswert – Pauli 2. Missionsreise fing wieder unmittelbar nach einem Besuch in Jerusalem an und endete wieder als vorletzte Etappe dort. Von Jerusalem ging Paulus erneut zu seiner Heimatsversammlung in Antiochia. Von dort aus startete er kurze Zeit später seine dritte Missionsreise (ca 52-54 u.Z)
Auch diese dritte Missionsreise endete in Jerusalem (Apg 21:17)
Paulus berichtete den Älteren Männern in Jerusalem eingehend „über die Dinge …, die Gott durch seinen Dienst unter den Nationen getan hatte“ (Apg 21:18,19).
Die älteren Männer von Jerusalem lobten ihn, – rieten ihm aber wegen der Judenchristen, die, obwohl unnötig, Wert drauf legten weiterhin an das mosaische Gesetz zu halten, um bei den Mitjuden keinen Anstoss zu erregen, sich zeremoniell zu reinigen als Geste, um zu zeigen dass er das mosaische Gesetz weiterhin respektierte. (Apg 21:20-26).
Zu welchen Schlussfolgerungen bringt mich das alles?
- Paulus war von Jesus direkt beauftragt, und mit Heiligem Geist erfüllt.
- Paulus suchte nach Anleitung bei führenden Christen in Jerusalem
- Pauli Missionsreisen fanden immer kurz nach dem Besuch der Versammlung in Jerusalem an, und endeten dort auch nach der zweiten und dritten Missionsreise. Das Paulus diese Missionsreisen völlig unabhängig von der Versammlung in Jerusalem machte kann man also nicht wirklich behaupten
- Paulus erkannte an dass die Apostel und Älteren Männer der Versammlung in Jerusalem eine Autoritative Stellung innehatten (Epheser 2:20-22), und ordnete sich diesen unter, wie die Berichte in Apostelgeschichte 15; 21:20-26 bestätigen. Andererseits scheute er sich nicht Fehlverhalten dieser führenden Brüder anzusprechen (Gal 2:11-14)
- Paulus nannte sich selbst einen Apostel Jesu (Gal 1:1), und erhielt Mitteilhaberschaft am Dienst der Apostel in Jerusalem (Gal 2:9), was ihn dazu befähigte mit Hilfe des Heiligen Geistes, ohne Rücksprache mit Jerusalem, Anweisungen zu geben, da er „Treue zur derselben Wahrheit“ wie die Apostel hatte.
- Seinen ersten kanonischen Brief (an die Thessalonicher) schrieb Paulus um 50 u.Z. während seiner zweiten Missionsreise und nachdem er die Mitteilhaberschaft erhalten hatte, was darauf hinweist dass er erst ab da vom Heiligen Geist inspiriert Verhaltensregeln für die Versammlungen aufstellen konnte.
Fazit: Paulus war mit Hilfe des Heiligen Geistes und aufgrund seiner Mitteilhaberschaft dazu befugt, im Namen der Leitenden Körperschaft in Jerusalem zu sprechen, und Briefe an die Versammlungen zu verfassen, sowie reisende Aufseher einzusetzen. Als solches war er sich der wichtigen Arbeit und Autorität der Apostel und älteren Männer in Jerusalem bewusst, und wiedersprach ihnen in Glaubensfragen nie.
Gibt es dazu heute eine Paralelle? Jein – das „der treue und verständige“ Sklave zu irgendeiner Zeit ein Apostelamt innehätte – davon sprach Jesus nie. Wohl aber davon dass dieser „Sklave“ oder „Verwalter“ über seine „Dienerschaft“ setzen würde, so wie er es mit den Aposteln und älteren Männern in Jerusalem tat. In dem Sinne, zerstört Paulus das Bild von einer Leitenden Körperschaft in Jerusalem des ersten Jahrhunderts nicht – nein es bekräftigt es nur noch.