Ich klopf bei Ihnen an

Jehovas Zeugen sind eine feste Größe am europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, und haben sehr viel zur Verteidigung von Menschenrechten und Freiheiten beigetragen, die allen Europäern gewährt sind – und ja, dazu gehört auch das Klingeln an Türen!

Bitte verzeihen Sie mir wenn ich Sie je beim Lesen, Wäschemachen, Fernsehen oder Schlafen gestört habe. Zeugen Jehovas vor der Tür zu haben ist nicht gerade dasselbe wie einen Briefträger der ein lang ersehntes Päckchen vorbei bringt. Ich kann also verstehen dass Sie mich manchmal anschreien und mir die Tür vor der Nase zuknallen.

Die Literatur die ich meistens dabei hab, und die Bibel die ich gerne zitiere ist nicht wirklich leichte Kost – zumal es darin oft um Dinge wie Moral geht und “falsche” Religionen. Den Hund müssen Sie deswegen trotzdem nicht auf mich hetzen!

Jehovas Zeugen es zu erlauben von Tür-zu-Tür zu predigen sagt eine Menge über die Freiheiten aus die wir in Europa wertschätzen: Religionsfreiheit, öffentliche Meinungsäußerung, ja das Recht der Mensch zu sein der man gerne sein möchte!

Es ist allerdings nicht einfach anderen diese Freiheit zu gewähren, wenn man nicht derselben Meinung ist – nicht mit ihren Äußerungen, oder gar ihrer Lebensweise einverstanden ist. Es scheint bedrohlich zu sein, anders kann ich mir die Reaktion der meisten nicht erklären!

Es erklärt allerdings auch den kulturellen Krieg im Allgemeinen.

Jehovas Zeugen jedoch zeigen dass es auch anders geht – dass religiöse und persönliche Freiheiten durchaus co-existieren können – und müssen!

Ich bin von klein auf in dieser Religion aufgewachsen. Als ich 4 war durfte ich meiner Mutter beim Predigen von Tür-zu-Tür helfen. Ich durfte als “Klingeldrücker” fungieren, ein cooler Job, selbst wenn das bedeutete dass ich öfters meine Lieblingszeichntrickserien dafür opfern musste. Das war hart.

Dafür genoss ich die Pause morgens immer, in denen wir zum Bäcker gingen und es einen heißen Kakao gab mit lecker Teilchen – meistens waren wir als Gruppe unterwegs, während der Pause hatten wir dann unseren Spaß, erzählten uns Geschichten und lachten.

Als ich älter wurde begann ich selbst an den Haustüren vorzusprechen. Ich empfand es befriedigend, mit anderen – also die die zuhören wollten – darüber zu reden dass Gott bald alles Leid beseitigen wird. Ich empfinde noch immer so.

Ja ich bin ein Zeuge Jehovas – und vielleicht bin ich nicht geeignet um objektiv über meinen Glauben und meine Religion zu reden, aber in diesem Artikel geht es um etwas anderes: Menschenrechte.

Als ich mich mit dem Thema befasste, wunderte ich mich wie oft Jehovas Zeugen vor Gericht waren.

Mir war klar dass sie nie gerade populär waren, aber mir war nicht bewusst wie oft Ihnen es verwehrt wurde zu predigen, sich zu versammeln, und so zu leben wie sie es wollten. Sie wurden zu Stammgästen des obersten Gerichtshofs in Amerika seit den 1930er Jahren. mit der Anklage die damalige Redensfreiheit ein leeres Versprechen war für Menschen jenseits des Mainstreams.

Bis heute haben Zeugen Jehovas 62 Anklagen vor den obersten Gerichtshof der USA gebracht – außer der eigenen Regierung war keiner so fleißig. 50 dieser Fälle gewannen sie, und hauchten damit Leben in die Grundrechte eines jeden Amerikaners, und erschufen Präzedenzfälle die heute noch von Zivilrechtsbewegungen zitiert werden.

Dazu sagte der Chief Justice Harlan Fiske Stone: “Die Zeugen Jehovas sollten eine Stiftung eröffnen, im Hinblick auf  ihre Rolle zur Lösung rechtlicher Probleme bezüglich der bürgerlichen Freiheiten.” Sein Gerichtshof revidierte 1943 – am Höhepunkt des 2. Weltkriegs – einen drei Jahre zuvor beschlossenen Entscheid, der der Regierung das Recht zusprach die Bürger zu patriotischen Ritualen zwingen zu dürfen.

Zeugen Jehovas hatten sich geweigert das Treuegelöbnis gegenüber der Nation und der Fahne der USA auszusprechen, da Sie der Meinung sind nur Gott habe eine solche Hingabe verdient.

Dasselbe taten die Zeugen während der NS-Zeit in Europa, wo sie sich weigerten den Hitlergruss zu praktizieren, und ebenfalls den Kriegsdienst verweigerten weswegen sie erbittert verfolgt wurden.

Justice Robert Jackson der den Fall in den USA führte schrieb: „Wenn es einen Grundstein im Rechtsstaat gibt, dann ist es der, dass keine Regierungsmitglied, ob hoch oder klein gestellt, vorschreiben kann was orthodox sein soll in Politik, Nationalismus, Religion oder anderen persönlichen Entscheidungen.“

Am europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sieht die Situation nicht anders aus als in den USA. Seit dem Fall der Mauer, haben Zeugen Jehovas dort fast 50 Rechtsfälle vorgetragen, wovon sie 35 gewannen.

Zuletzt vor ein paar Monaten gegen Russland wo man uns als Extremisten deklariert hat – dabei sind wir die ehrlichsten Bürger die es gibt, und haben noch nie einem Staat geschadet! Freie Redensäußerung und Praktizierung des Glaubens (der wohlgemerkt niemandem schadet) ist momentan in Russland nicht mehr möglich!

In Staaten wo Menschenrechte hoch gehalten werden, weiß ich jedoch wieso ich an ihrer Tür klingeln darf. Es nervt Sie vielleicht, aber dieses Generve führte zu Gerichtsfällen die die Freiheit für uns alle bewirkten.

Es gibt aber auch noch andere Wege als die Politik, durch die Zeugen Jehovas für Menschenrechte einstehen.

Zeugen Jehovas sind sozial konservativ. Mitglieder können weder schwul oder lesbisch sein, können nicht abtreiben, und Frauen können nicht als religiöse “Führer” ernannt werden. Das ist nicht nur bei den Zeugen so, es gibt jede Menge andere Religionen die ähnliche Prinzipien verfolgen. Fragen sie mal einen Homosexuellen wie einfach es war sich bei seiner katholischen, evangelischen oder mormonischen Familie zu outen.

Trotzdem würden Zeugen Jehovas niemals auf politische Weise ihren Glauben anderen aufzwängen. Sie würden nie gegen Abtreibungseinrichtungen protestieren, oder eine Kampagne gegen die Homo-Ehe starten, oder für Gesetze stimmen, die etwas, was sie als “Sünde” verstehen, verbietet.

In vielen Ländern sind Zeugen Jehovas offiziell keine Sekte mehr, sondern eine Religionsgemeinschaft öffentlichen Rechts, so auch in Deutschland. Als solche steht Ihnen das Recht zu, Ihren Glauben in öffentlichen Schulen zu unterrichten. Das tun sie aber nicht!

Zeugen Jehovas benutzen jedoch die Justiz, um ihre christliche Lebensweise zu schützen. Sie wählen es in einigen selbstgesetzten Grenzen zu leben. Dies beinhaltet auch, Mitglieder die es verweigern diese beschlossenen Grenzen zu respektieren, zu meiden.

Aber sie erkennen auch dass andere Gemeinschaften von ihren Rechtssiegen profitieren. Stellen Sie sich einmal vor all Religionen wären so überzeugt von ihrem Glauben, dass die Definition von anderen in Bezug auf Heirat, Lebensweise oder Moral keine Bedrohung für sie selbst darstellt.

Sollten Sie sich also angegriffen fühlen, wenn ich vor Ihrer Tür stehe und ihnen einen Wachtturm anbiete, in dem vielleicht steht dass Sex vor der Ehe eine „Sünde“ ist?

Wenn wir möchten dass die Welt ein offener Markt von Ideen ist, dann werden viele Botschaften die wir nicht mögen um unsere Aufmerksamkeit kämpfen. Das ist OK solange wir nicht dazu gezwungen werden zuzuhören oder es anzunehmen.

Wenn Sie mich mit einem “Nein danke, damit will ich nichts zu tun haben” abwimmeln, lasse ich Sie in Frieden – zumindest solange bis der nächste an Ihrer Haustür klingelt.

Als nach dem 11. September 2001 die Angst umherging, stand die Freiheit zu Reden ein weiteres Mal auf dem Spiel. 2002 war das letzte mal dass Zeugen Jehovas vor dem obersten Gerichtshof in Amerika standen (und gewannen) mit dem Argument dass die Angst um terroristische Anschläge, der Regierung nicht das Recht gibt die freie Meinungsäußerung einzuschränken, indem man entschließt das der Staat die Erlaubnis geben muss um an Türen klingeln zu dürfen.

Ich will in einer Gesellschaft leben wo jeder das Recht hat beim Nachbarn zu klingeln und mit ihm von Angesicht zu Angesicht zu reden – selbst wenn es nur darum geht ein bisschen Zucker auszuleihen.

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